Die Blutegeltherapie gehört zu den ältesten naturheilkundlichen Verfahren der Welt. Bereits in der Antike wurden Blutegel zur Linderung verschiedenster Beschwerden eingesetzt – heute erlebt diese Therapieform eine echte Renaissance in der modernen Komplementärmedizin.
Was ist die Blutegeltherapie?
Bei der Blutegeltherapie werden medizinisch gezüchtete Blutegel (meist Hirudo medicinalis) auf bestimmte Hautstellen gesetzt. Die Tiere saugen sich fest, beißen die Haut leicht an und nehmen eine kleine Menge Blut auf. Dabei sondern sie über ihren Speichel (den sogenannten Saliva) eine Vielzahl wirksamer Substanzen ab – darunter Hirudin (gerinnungshemmend), Eglin (entzündungshemmend) und Calin (durchblutungsfördernd).
Diese Stoffe wirken schmerzlindernd, entzündungshemmend, entstauend und durchblutungsfördernd – Eigenschaften, die sich in vielen medizinischen Bereichen zunutze gemacht werden.
Anwendungsgebiete in meiner Praxis
Die Blutegeltherapie wird besonders häufig eingesetzt bei:
Gelenkbeschwerden (z. B. Arthrose, Tennisarm)
Venenerkrankungen (z. B. Krampfadern, Thrombophlebitis)
Rückenschmerzen und Muskelverspannungen
Nach Operationen zur Förderung der Durchblutung, Tinnitus (z. B. bei Replantationen)
Hauterkrankungen (z. B. Akne, Furunkel)
Kopfschmerzen und Migräne (in Einzelfällen)
Der Ablauf einer Sitzung
Eine Therapiesitzung dauert in der Regel 60–90 Minuten. Je nach Beschwerdebild werden ein bis mehrere Blutegel auf die betroffene Stelle gesetzt. Nachdem sie sich festgesaugt haben (das dauert meist nur wenige Minuten), bleiben sie für 30–60 Minuten am Körper. Anschließend fallen sie von selbst ab.
Die kleine Bissstelle blutet oft noch einige Stunden nach – das ist gewollt und unterstützt die reinigende Wirkung. Wichtig ist eine fachgerechte Nachsorge, um Infektionen zu vermeiden.
Risiken und Nebenwirkungen
Wie jede Therapie hat auch die Blutegelbehandlung mögliche Nebenwirkungen:
Leichte Schmerzen oder Juckreiz an der Bissstelle
Längeres Nachbluten
Selten: allergische Reaktionen oder Infektionen
Daher sollte die Therapie nur von geschultem medizinischem Personal durchgeführt werden. Menschen mit Blutgerinnungsstörungen, schweren Anämien oder geschwächtem Immunsystem sollten auf die Behandlung verzichten.
Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Blutegeltherapie
Eine vielbeachtete Studie zur Wirksamkeit der Blutegeltherapie wurde 2003 im renommierten Fachjournal Annals of Internal Medicine veröffentlicht. In dieser randomisierten, kontrollierten Untersuchung wurde die Wirkung von Blutegeln bei Patienten mit Kniegelenksarthrose untersucht.
Die Ergebnisse waren beeindruckend: Bereits nach einer einzigen Anwendung berichteten viele Teilnehmer über eine signifikante Schmerzreduktion sowie eine verbesserte Gelenkfunktion – und das ohne relevante Nebenwirkungen. Diese Effekte hielten teils mehrere Wochen an. Die Autoren schlossen daraus, dass die Blutegeltherapie eine wirksame Ergänzung zur konventionellen Schmerztherapie bei Arthrose sein kann.
Solche Studien untermauern die traditionelle Erfahrung mit wissenschaftlicher Evidenz und zeigen, dass die Blutegeltherapie mehr ist als nur ein historisches Kuriosum.
Quelle: Effectiveness of leech therapy in osteoarthritis of the knee: a randomized, controlled trial
Die Blutegeltherapie ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie alte Heilmethoden in der modernen Medizin wieder Fuß fassen können. Ihre entzündungshemmende, schmerzlindernde und durchblutungsfördernde Wirkung macht sie zu einer sinnvollen Ergänzung bei chronischen Beschwerden – vorausgesetzt, sie wird fachkundig und verantwortungsvoll eingesetzt